„Schule ist das, was man draus macht!“

Elisabeth Hillebrand geht nach 20 Jahren als Schulleiterin der Albert-Schweitzer-Schule in den Ruhestand

20 Jahre lang stand Elisabeth Hillebrand an der Spitze der Albert-Schweitzer-Schule. Nun ging mit einer großen Verabschiedung in der Aula des Schulstandorts in der Schillerstraße am vergangenen Mittwoch das „elisabethanische Zeitalter“, wie es in einem Redebeitrag des Schulleitungsteams hieß, zu Ende. Ein Abschied ja, aber einer, den alle Beteiligten mit viel Humor und guten Wünschen, mit ganz offen gezeigter Wertschätzung und mit ehrlich gemeinter Bekundung von Respekt und Anerkennung meisterten.

In ihrer Begrüßung freute sich die unkonventionelle Schulleiterin über alle, die sie zum Abschied noch einmal in ihrer alten Wirkungsstätte beehrten. Ihre große Familie in der ersten Reihe, ehemalige Kollegen, Vertreter der Alsfelder Schulen, Weggefährten, Mitstreiter, außerschulische Kooperationspartner, sowie Vertreter des Schulamtes und des Vogelsbergkreises. Hocherfreut durchkämmte sie die Reihen, sprach ihre Gäste an und stellte einzelne vor. Diese offene, zugewandte Art war ein Motiv, das sich später durch alle Reden zog, eine der offensichtlichsten Eigenschaften einer Frau, die, wie es der ehemalige Schulamtsleiter Christoph Fellner von Feldegg ausdrückte, nach vielen anfänglichen Steinen, die man ihr in den Weg gelegt hatte, stets ihre Zielgruppe von sich überzeugen konnte: die Schülerschaft.

Diese wiederum ließ es sich nicht nehmen, sowohl musikalisch, als auch mit kleinen Abschiedsworten Lebewohl zu sagen. „Wir lieben Ihre coole Art, Ihre offene Tür und Ihr Verständnis für uns. Es ist schade, dass Sie gehen.“ „Ihr werdet mit sehr fehlen“, antworte Hillebrand ergriffen und fügte hinzu: „Das geht ja gut los!“ Später im Lauf der Veranstaltung spielten noch das Schulorchester unter der Leitung von Arno Pausch und die Big Band unter der Leitung von Martin Wilhelm zum Abschied auf, und auch die Vertreter der SV, Marie Decker, Emilia Zulauf und Diyar Ilhan, bedankten sich bei ihrer Schulleiterin für das Engagement, die offene Art und – für Insider – die Schulmilchwerbung.

Das erste Wort nach der Begrüßung hatte jedoch Volker Karger, stellvertretender Leiter des Staatlichen Schulamtes in Gießen. „Schule ist das, was man draus macht“ und „Wer aufhört besser zu werden, ist nicht mehr gut“, zitierte er die scheidende Schulleiterin, und lobte sie für die inhaltliche Komplexität dieser Aussagen, die sie an ihrer Schule stets mit Leben gefüllt hat, wie zahlreiche Beispiele der Schulentwicklung und auch der Reaktion auf Veränderung von außen belegten: So habe sie sich ganz besonders für die ASS als Schule im ländlichen Raum starkgemacht, sie habe das Ganztagsangebot eingeführt, vielfältigste AG-Angebote präsentiert und eine Vorreiterrolle bei der Einführung der interaktiven Whiteboards eingenommen. Darüber hinaus habe sie die Praxisorientierung sowie die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern forciert und Schülerinnen und Schülern damit viel Einblick in das Leben außerhalb der Schule vermittelt. Auch gesellschaftspolitisch habe sie mit der Einführung der Aktuellen Runde einen weiteren hochrelevanten Aspekt eingeführt.

Landrat Manfred Görig, nicht nur als Schuldezernent, sondern auch als politischer Weggefährte schon lange mit Hillebrand bekannt, würdigte ihre Verdienste in einer sehr persönlichen Ansprache. Auch er wies auf die anfänglichen Schwierigkeiten hin, die die Schulleiterin – u. a. als erste Frau nach 140 Jahren auf dieser Position – bewältigen musste. 2.600 Schülerinnen und Schüler hat sie in den 20 Jahren ihrer Amtszeit zum Abitur begleitet, fünf Schuldezernenten kennengelernt und aus allen Veränderungen in der Bildungspolitik das Beste für ihre Schule gemacht. „Nach 20 Jahren geht eine Ära zu Ende“, so der Landrat, der die scheidende Schulleiterin für ihre Kreativität, ihren hohen Anspruch und die Öffnung der Schule nach außen lobte. Zeichen für ihr hohes Engagement seien zum einen die internen Veränderungen, wie die Schaffung einer Themen- und Wanderwoche, der Ausbau der Schulbibliothek und die Einführung von Orchesterklassen, zum anderen aber auch das äußere Erscheinungsbild, das sie im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen und Anbauten stark verändert habe. Sie sei immer am Puls der Zeit geblieben, so der Redner, und verlasse eine sehr gut aufgestellte Schule.

Bürgermeister Stephan Paule, selbst ehemaliger Schüler der ASS, zitierte ein Bild aus Hillebrands Amtseinführung: Sie sei die Kapitänin auf einem Flaggschiff, hatte es damals geheißen. Heute zog Paule das Bild vom Lotsen heran, der das Schiff verlasse, betonte jedoch in Anspielung auf das Bismarck’sche Motiv, dass sie sich wesentlich von dessen Konservatismus unterscheide: Innovationskraft und Modernität hätten ihre Amtszeit geprägt und der Schule zu einer Strahlkraft weit über Alsfelds Grenzen hinaus verholfen. Nach den Vertretern des SV sprach Dieter Welker für den Förderverein der ASS. Er ging auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft ein und stellte die These auf, dass Hillebrand angesichts der dauerhaften Diskriminierung von Frauen den folgerichtigen Weg als Pädagogin ergriffen habe. Launig holte er sich Anleihen bei Homer, der sie sicher der Gemeinschaft der Amazonen zugeordnet hätte, wenn auch Odysseus heute noch nicht von seiner Odyssee zurückwäre, wäre er unterwegs auf Elisabeth Hillebrand getroffen.

Diese Worte waren beispielhaft für den lockeren, sehr humorvollen und auch sehr persönlichen Umgang, den die Schulleiterin offenbar mit vielen Menschen aus ihrem Umfeld pflegte, auch wenn sie, wie sie später unverhohlen zugab, sehr pragmatisch und manchmal auch fordernd ist. „Doch nichts von alldem, für das ich jetzt gelobt werde, hätte ich alleine geschafft. Es ging nur mit einem guten Team“, gab sie den Dank weiter. Nichtsdestotrotz zollten ihr alle Weggefährten Wertschätzung und Respekt, so auch Christoph Fellner von Feldegg, der auf eine lange gemeinsame Arbeit blicken konnte. „Kann die überhaupt Abitur? Kann die überhaupt Schulleitung?“, hätten die bissigen Kommentare zu Beginn ihrer Laufbahn gefragt. „Sie konnte“, stellte Fellner von Feldegg fest und betonte, dass die Grundmaxime ihres Handelns stets die Frage gewesen sei: „Was nützt es den Schülern?“ Damit habe sie sich um die Schule sehr verdient gemacht, was ihr nicht zuletzt mit dem Aufbau eines kompetenten Schulleitungsteams gelungen sei.

Worte eines erfahrenen Un-Ruheständlers überbrachte schließlich Hillebrands Vorgänger Konrad Rüssel. Er hatte zahlreiche gute Tipps für einen gelungenen Un-Ruhestand parat. Als Abordnung der Max-Eyth-Schule, aber auch in ganz persönlicher Mission, brachten Stephanie Ebert und Christoph Mogel der inzwischen vielfach Geehrten ein wunderbares Ständchen dar, bevor der Personalratsvorsitzende Daniel Wolf sich im Namen des Kollegiums bei der scheidenden Schulleiterin bedankte. 80% aller jetzt tätigen Lehrer habe sie eingestellt, so Wolf. Höre man sich in den Lehrerzimmern um, so sei es Konsens, dass alle sich an der ASS sehr wohlfühlten. Er lobte sie für ihre Offenheit und ihre Innovationskraft, aber auch für den hohen Stellenwert, den sie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zugeordnet habe.

Den letzten Redebeitrag hatten sich Christian Bolduan und Thomas Weidemann aufgehoben. Sie präsentierten ihre Schulleiterin in einer Reihe mit großen Elisabethen der Weltgeschichte, denen sie in Warmherzigkeit und sozialem Anspruch (Hl. Elisabeth), in Gestaltungskraft und Positionsbewusstsein (Queen Elisabeth I.) und in Zähigkeit, Beharrlichkeit und Gesundheit (Queen Elisabeth II.) in nichts nachstehe.

„Es bleibt eine Lebensleistung, die sich sehen lassen kann. Generationen von Lehrern, Referendaren, Schülern und Abiturienten wissen die Albert-Schweitzer-Schule untrennbar mit Ihrem Namen verbunden“, so die beiden Redner. „Es bleibt das dickste Kapitel in der Schulgeschichte der ASS, das bisher geschrieben wurde. Es wird auch für lange Zeit – vielleicht für immer – das inhaltsreichste sein.“

Werdegang:

Nach einer Ausbildung zur Zahnarzthelferin besuchte Elisabeth Hillebrand die Fachoberschule, machte Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und studierte Gartenwissenschaften an der Universität Hannover. Sie trat 1981 den Vorbereitungsdienst für den höheren landwirtschaftlichen und ernährungswissenschaftlichen Dienst beim Regierungspräsidium Köln an. Nach Hessen kam sie aus privaten Gründen im Jahr 1985; hier unterrichtete sie zunächst an der Max-Eyth-Schule in Alsfeld und wechselte 1992 als Studiendirektorin zur Koordinierung schulfachlicher Aufgaben an die Gesamtschule in Schlitz. 1998 wurde sie Schulleiterin der ASS, zunächst kommissarisch, 1999 endgültig. Elisabeth Hillebrand ist sowohl ehrenamtlich als auch politisch aktiv. Unter anderem ist Kreistagsmitglied. Die dreifache Mutter und sechsfache Großmutter will sich nun verstärkt der Frauenpolitik widmen, da es dort in den letzten Jahrzehnten wenig Bewegung gegeben habe.

Text und Fotos: Traudi Schlitt, eingestellt am 1.2.2018