• Verfasser: Traudi
  • Thema: Presse-AG
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Über Probleme reden und Hilfe suchen

Mentale Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen durch Corona

Von Annkathrin Lambertz

Das ARD Mittagsmagazin berichtete: Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen Essstörungen behandelt werden, stieg seit 2020 um rund 60 Prozent. Das zeigen Berechnungen der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), die sich auf Versichertendaten aus dem ersten Halbjahr 2020 stützen. Auch andere psychische Erkrankungen wie Depressionen und Burnout haben um 30 Prozent zugenommen. Was also macht Corona mit Kindern und Jugendlichen? Ich habe mit der Diplom-Pädagogin Bianca Friedrich und der Schulseelsorgerin der Albert-Schweitzer-Schule, Katja Dörge, gesprochen, um herauszufinden, inwiefern Kinder und Jugendliche tatsächlich unter Corona leiden und was man als Betroffener oder Außenstehender tun kann.

„Es ergibt sich ein Gesamtbild von Belastungsstörungen und depressiven Auffälligkeiten“, so die Diplom-Pädagogin Bianca Friedrich. Man könne nicht pauschal sagen, dass sich alle einsam fühlten oder niedergeschlagen seien, aber es falle deutlich auf, dass mehr Menschen sich einsam oder depressiv fühlen als vor Corona. „Und das aber in dem gesamten Spektrum. Wobei es nicht nur ein Symptom oder eine Auffälligkeit gibt, die dann für alle Jugendlichen gilt“, führt Friedrich aus. Viel hänge vom sozialen Umfeld der Personen ab. „Wenn es zu Hause ganz viel Unterstützung gibt, und es möglich ist, dass viel Austausch nach außen stattfindet, sind viele Jugendliche ganz gut durch diese Zeit gekommen.“ Anders sehe das bei denjenigen aus, die nicht in einem solchen familiären und sozialen Netz aufgefangen seien oder die schon vorher psychische Schwierigkeiten gehabt hätten. Dort zeigten sich Antriebslosigkeit, Lustlosigkeit, Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, häufig gepaart mit Sorgen um die Zukunft, beispielsweise wenn es Zuhause Geldsorgen gebe.

Aber was kann man tun, um zu erkennen, ob jemand Hilfe braucht? „Jugendliche sollten auf jeden Fall ernst genommen werden, wenn sie um Hilfe bitten“, so ein Rat der Pädagogin. Häufig sei gerade das nämlich nicht der Fall. Sie rät Jugendlichen auch dazu, es genauso zu formulieren: „Ich brauche Hilfe. Mir geht es nicht gut.“ Oftmals könne man aber auch an verschiedenen Anzeichen erkennen, dass ein Mensch unter der Situation leidet: Wenn sich jemand verändert, also vielleicht schweigsamer wird, obwohl er immer sehr lebhaft war oder auch umgekehrt, dann kann das ein Zeichen sein. Andere Symptome sind Antriebslosigkeit, Traurigkeit, viele Sorgen. „Dann macht es viel Sinn, genauer hinzuschauen”, empfiehlt Friedrich. Wichtig sei, dass, wenn man an sich bemerkt, dass man zu Traurigkeit neigt, Kontakt sucht und in Kontakt zu anderen bleibt. „Vielleicht können auch Erwachsene für Kinder oder Jugendliche einen Kontakt zu Gleichaltrigen herstellen, um für neue Erlebnisse und Möglichkeiten zu sorgen und die Freizeit gemeinsam zu gestalten.”

An der Schule selbst bietet die Schulseelsorge eine Anlaufstelle. Dort gibt es ausgewählte Lehrer, die einem zuhören und Tipps geben, wie man das Problem lösen kann. Doch wie genau läuft es da eigentlich ab? Das habe ich Katja Dörge, Schulpfarrerin, Religionslehrerin und Teil des Seelsorger-Teams der Albert-Schweitzer-Schule, gefragt: „Wenn man bei der Schulseelsorge einen Termin machen will, sollte man eine E-Mail an einen der Seelsorge-Beauftragten schreiben. Man kann allerdings auch zu den vorgegebenen Zeiten schauen, ob der Raum gerade frei ist“, so Dörge. Der Raum der Schulseelsorge ist klein und gemütlich, mit vielen Stühlen, Sesseln und einem Sofa ausgestattet. Hier kann man sich einfach von der Seele reden, was raus muss. Alle Seelsorger haben eine Schweigepflicht, d.h. sie dürfen niemandem weitererzählen, was in diesem Raum geredet wird. Mit anderen Worten: Was in diesem kleinen Raum passiert, bleibt in dem Raum.

Katja Dörge hat mir gesagt: „Es gibt nichts, was ich noch nicht gehört habe. Wenn du dir also denkst ‚meine Probleme sind doch verrückt‘ oder ‚ich rede mir das doch nur ein‘ oder ‚meine Probleme sind unwichtig‘, dann stimmt das auf keinen Fall! Jedes Problem ist wichtig und sollte besprochen werden, auch,  wenn es nur ein kleines ist.“

Wenn man nicht persönlich mit jemandem reden möchte, gibt auch Hotlines und andere Möglichkeiten, sich Hilfe zu suchen:

Nummer gegen Kummer: Die Nummer gegen Kummer 116 111 ist eine der bekanntesten Hotlines in Deutschland. Sie ist kostenlos und erscheint nicht auf der Telefonrechnung, d.h. die Eltern bekommen von dem Anruf nichts mit. Dort kann man anrufen und sich einfach von der Seele reden, was einen bedrückt.

Krisen-Chat: Krisen-Chat (krisenchat.de) ist eine kostenlose Beratung, bei der man einfach eine WhatsApp an ausgebildete Psycholog*innen schicken und sich beraten lassen kann. Krisen-Chat wurde von einer Gruppe junger Menschen im ersten Corona-Lockdown 2020 entwickelt, um eine Ersthilfe für Kinder und Jugendliche zu schaffen, die immer verfügbar und kostenlos ist.

Andere Hotlines: Unter der Nummer 0800 1110111 findet man die TelefonSeelsorge.

Und wenn man wirklich mit niemandem reden will, weil man sich unwohl fühlt, oder aus anderen Gründen, hier ein paar Buchtipps: „Seelenleben“ von Micheal Schulte-Markwort und „Graue Wolken im Kopf“ von Juliane Breinl.