Zeitzeuge digital – Karsten Köhler erinnert sich an das „Schweigende Klassenzimmer“
Filmprojekt der Albert-Schweitzer-Schule – Uraufführung am 11. Juni in Lauterbach
Ein Gespräch mit einem Zeitzeugen hat eine besondere Wirkung. Jeder, der einmal Gelegenheit hatte, zu einem bestimmten geschichtlichen Thema mit einem Menschen zu sprechen, der die betreffende Zeit erlebt hat, weiß, dass kein Geschichtsbuch der Welt diese Eindrücke ersetzen kann. Einen ganz besonderen Zeitzeugen lernten die Schülerinnen und Schüler der Albert-Schweitzer-Schule vor wenigen Jahren kennen. Sie beschäftigten sich mit dem Film „Das schweigende Klassenzimmer“. 2018 gedreht nach dem gleichnamigen Roman von Dietrich Garstka, beschreibt er die Folgen, die eine Schweigeminute für die Opfer des Ungarischen Volksaufstandes 1956 für eine Abiturklasse in der DDR hatte. Am Ende wurden alle damaligen Abiturientinnen und Abiturienten vom Abitur ausgeschlossen. Sie verrieten sich gegenseitig nicht und ein großer Teil floh im Alter von etwa 18 Jahren ohne ihre Familien in den Westen.
Karsten Köhler war damals Klassensprecher. Nachdem er wie die meisten seiner damaligen Klassenkameraden im hessischen Bensheim aufgenommen wurde und dort auch sein Abitur abgelegt hatte, blieb er in Westdeutschland. Inzwischen lebt der 83-Jährige im südbrandenburgischen Luckau. Es liegt ihm viel daran, dass seine Erfahrungen mit Diktatur, Willkür und Gewalt nicht in Vergessenheit geraten. Daher spricht er regelmäßig als Zeitzeuge mit Jugendlichen über die ereignisreichen Wochen in den Jahren 1956/57. So auch 2019 in der Albert-Schweitzer-Schule. Hieraus erwuchs eine intensive Zusammenarbeit, gespeist von den Eindrücken, die Köhler nicht nur als Teil einer unglaublichen Geschichte greifbar machte. Mindestens genauso wichtig ist ihm die Verbindung mit der Gegenwart: Er wird nicht müde, den Wert von Freiheit und Demokratie – Dinge, die jungen Menschen heute fast selbstverständlich scheinen – herauszustellen und zu betonen, dass man immer wieder dafür kämpfen muss. Seine Geschichte ist außerdem ein tiefgreifendes Beispiel für Zivilcourage und Zusammenhalt.
Schnell war der Schulgemeinde klar, dass sie Karsten Köhlers Engagement als Zeitzeuge, sein Wissen, aber auch seine Empathie, seinen Einsatz für Demokratie und seine unverstellte, offene Art für die Nachwelt erhalten müsse. Gemeinsam mit dem Förderverein der Albert-Schweitzer-Schule und finanziell stark unterstützt durch das Bundesprojekt „Demokratie leben!“ entstand ein Film, der zum einen Köhlers Vita nachgeht, zum anderen aber auch viele Interviews und Auftritte Köhlers dokumentiert. Schülerinnen und Schüler begleiteten ihn zu wichtigen Stationen seines Lebens. Nicht zuletzt hält der Film daher auch ihre Eindrücke fest.
Den Filmemachern rund um Regisseur Maximilian Benesch ist ein Film gelungen, der nach seiner Uraufführung als Ergänzung zu dem Spielfilm allen Interessierten, Bildungseinrichtungen und Schulen zur Verfügung stehen wird. Die Hessische Landeszentrale für Politische Bildung hat zugesagt, die Verbreitung und Bekanntmachung des Films zu fördern. Karsten Köhler hierzu: „Lernen aus der Geschichte ist ein wichtiger Aspekt – dazu möchte ich beitragen.“ Der Film, der Köhlers Lebensweg nachzeichnet und Begegnungen und Gespräche mit jungen Menschen dokumentiert, war ihm eine Herzensangelegenheit. „Ich bin sehr froh, dass der Film fertig geworden ist, und freue mich sehr auf die Uraufführung.“
Diese findet am Samstag, dem 11. Juni, um 11 Uhr im Lichtspielhaus in Lauterbach statt. Karsten Köhler, der Regisseur Maximilian Benesch und die mitwirkenden Schülerinnen und Schüler werden anwesend sein. Der Eintritt kostet acht Euro, ermäßigt fünf Euro. Anmelden kann man sich unter der Rufnummer des Lichtspielhauses unter 0800 080 1010. Am gleichen Tag wird im Lichtspielhaus um 21. Uhr der Spielfilm „Das schweigende Klassenzimmer“ gezeigt. Für beide Filme zusammen gilt ein Paketpreis von 13 Euro.
Text und Bild: Traudi Schlitt