Zwei Eine-Million-Dollar-Fragen an einen Politiker auf Augenhöhe
MdB Felix Döring über seinen Werdegang, die SV und die Politik in Berlin
Es brauchte drei Anläufe, bis Felix Döring, SPD-Politiker und seit der letzten Bundestagswahl auch Mitglied im Deutschen Bundestag, es in die Albert-Schweitzer-Schule schaffte. Das letzte Mal sagte er ab, weil an den hessischen Koalitionsverhandlungen im Ausschuss Bildung teilnahm. Doch als er Anfang Dezember da war – und damit einer Einladung seines ehemaligen Kommilitonen Lukas Raatz, Lehrer an der ASS, gefolgt war-, bestach der 32-Jährige mit seiner Präsenz, Offenheit und Zugewandtheit. All das – und das vergleichsweise jugendliche Alter Dörings – machte es den Schülerinnen und Schüler der Q1 leicht, dem Politiker viele Fragen zu stellen.
Schulleiter Christian Bolduan begrüßte den kompletten Jahrgang samt Lehrkräften dazu in der Aula am Oberstufenstandort. „Eine Schulstunde der besonderen Art“ kündigte er an, eine die auch zeigen solle, dass Politiker Menschen sind, die es – wie auch sonst niemand – nicht verdient hätten, gebasht und bedroht zu werden. In einem demokratischen System gelten Respekt und es gebe andere Regeln, um Unzufriedenheit auszudrücken.
Er sei bereits in der Schülervertretung seiner Schulen aktiv und oft auch unbequem gewesen, erzählt Döring zu seinem Werdegang. SPD-Mitglied wurde er 2008, als die SPD sich vehement gegen die Einführung der Studiengebühren einsetzte. Eine Ungerechtigkeit allen gegenüber, die nicht vermögend seien, sagt er und offenbart ein Grundthema, das ihn in der SPD hält und trägt: Soziale Gerechtigkeit. Damals habe er gespürt: „Politik kann etwas verändern.“ Während des Studiums war er – natürlich – Mitglied in der Studierendenvertretung, gleichzeitig in der Gießener Stadtpolitik aktiv. Als er bei der letzten Bundestagswahl gegen den weitaus bekannteren Dr. Helge Braun antrat, rechnete er sich wenige Chancen aus. Doch schließlich zahlte sich ein engagierter Wahlkampf aus: „Es war denkbar knapp“, erinnert er sich an den Moment, in dem er das Direktmandat in seinem Wahlkreis, zu dem auch der Vogelsberg gehört, holte. Döring berichtet von seinen Anfängen in der Hauptstadt und im Parlament. Inzwischen ist er versierter Abgeordneter, der seit einiger Zeit im Haushaltsausschuss sitzt. „Es gab keine bessere Zeit, um in den Haushaltsausschuss zu wechseln“, sagt er mit Blick auf die aktuelle Haushaltssituation.
Und dann kamen Fragen über Fragen aus der Schülerschaft, die sich sehr interessiert und gut informiert zeigte, wie Döring nach der Veranstaltung anerkennend sagen würde. So konnte er erklären, warum er als Bundestagsabgeordneter an Koalitionsverhandlungen in Hessen teilnimmt. Er berichtete über die Hierarchie in der Fraktion, die Einteilung der Redezeit im Bundestag und darüber, was man als Einzelner überhaupt bewirken könne.
„Das ist die Eine-Million-Dollar-Frage“, sagte Döring, gefragt nach der Lösung des Haushaltsproblems. Während die SPD Möglichkeiten u.a. bei der Anhebung des Spitzensteuersatzes, der Besteuerung großer Erbschaften oder einer Lockerung der Schuldenbremse sehe, widerspreche das der Haltung der FDP. Zu allen Schwierigkeiten kämen große Krisen wie der Klimawandel und der Krieg in der Ukraine. „Verhandlungen sind ein Geben und Nehmen“, sagte Döring. Im Verlauf des Gesprächs ging es um seinen Status als sehr junger Abgeordneter, um das Wahlrecht ab 16 („Wir sind dafür, obwohl die jungen Wählerinnen und Wähler keine SPD-Anhänger sind.“), die Legalisierung von Cannabis („Staatlich kontrollierter Konsum mit Aufklärungskampagnen würde Menschen schützen und Justiz entlasten.“), oder die Höhe des Einkommens von Politkern („In der Relation zu sehen, aber durchaus eine Menge Geld.“).
Klare Vorstellungen hat Döring, der Sport und PoWi auf Lehramt studiert hat, von den Reformen im Schulsystem: Er fordert, die Kinder mehr in den Blick zu nehmen und sich nicht mehr auf Fächer und die 45-Minuten-Einheit zu fokussieren. Unterricht sollte weg von der Defizitorientierung hin zu einer Stärkenförderung. Er plädiert hier für heterogene Schulformen und betont, dass er – unabhängig vom System – große Achtung vor allen Menschen hat, die im Bildungsbereich „alles geben.“
Die Schülerinnen und Schüler fragten weiter nach der Bedeutung von Lobbyismus in der Politik und der Möglichkeit der Enteignung großer Wohnungsbaugesellschaften zum Wohl der Menschen, die sich keinen teuren Wohnraum leisten könnten. Es ging um die Privatisierung im Gesundheitsbereich – hier plädierte Döring deutlich für ein System, in das alle einzahlen – und es gab eine weitere „Eine-Million-Dollar-Frage“: Wie umgehen mit der AfD? „Wir müssen bessere Politik machen“, sagte Döring, „die Menschen mitnehmen. Und wir müssen auf unsere Demokratie aufpassen.“ Die AfD mit ihren „demokratiefeindlichen, frauenfeindlichen, fremdenfeindlichen und rassistischen Inhalten“ sieht er nicht als Bestandteil des demokratischen Systems: „Ich bekämpfe sie, wo immer es geht.“ Wählerinnen und Wähler müsse man zurückgewinnen durch eine Verbesserung des Sozialstaates, Daseinsvorsorge und Umverteilung.
Für die Schülerinnen und Schüler war dieser Vormittag eine spannende Angelegenheit: Sie lernten einen Bundespolitiker als einen Menschen kennen, der sich einsetzen möchte, Fragen beantwortet und auch Probleme nicht verschweigt. Döring machte glaubhaft, dass man in der Politik etwas bewegen kann – vielleicht weniger, als man gerne möchte, aber gemeinsam mit vielen in einem demokratischen Diskurs.
Nach der Veranstaltung im Podium nutzte Felix Döring seinen Besuch an der Schule für ein Gespräch mit der Schulleitung. Es sei ihm ein Anliegen, die Schulen in seinem Wahlkreis – der erklärtermaßen sehr groß sei – kennenzulernen; Schulpolitik sei ihm ein großes Anliegen. Schulleiter Christian Bolduan präsentierte ihm ein „Potpourri an Herausforderungen“ für Schülerinnen und Schüler wie für die Lehrkräfte: Inklusion, Intensivklassen, Nachwirkungen von Corona, große Klassen, Belastungen für Lehrkräfte. Sehr erfreut zeigte Döring sich von den Fragen und dem Engagement der Schülerschaft: „Das erlebe ich auch anders.“ Er bot an, auch zukünftig für Gespräche in kleineren Runden zur Verfügung zu stehen.
Text und Bilder: Traudi Schlitt / weitere Bilder (Copyright: Felix Döring)